Warum ich gerne radikal und arrogant bin.

Schreiende Ungerechtigkeit wird von den meisten Menschen als solche wahrgenommen. Im Laufe der Zeit habe ich allerdings verschiedene Reaktionen darauf beobachtet.

Ungerechtigkeit findet statt in der Interaktion zweier oder mehr Menschen, also in einem sozialen System. Ist die Interaktion weit überwiegend von Ungerechtigkeit geprägt und ist den Beteiligten dies bewusst, kann man von einem Unrechtssystem sprechen.

Was tue ich, wenn ich feststelle, dass ich mich als Teil eines solchen Unrechtssystems wiederfinde? Für mich kann es nur eine Antwort geben: Ich entziehe mich der Ungerechtigkeit nicht, aber ich verhandele nicht mit dem System oder Teilen hiervon.

Dabei kommt es mir nicht darauf an, ob ich die Möglichkeit hätte, die Ungerechtigkeit teilweise für mich oder andere weg- oder kleiner zu handeln. Meiner Meinung nach fördere ich das Unrechtssystem als solches, wenn ich – auch unter Aushandlung partieller Abmilderung der Ungerechtigkeit – Erwartungen an das System oder Teile hiervon stelle. Und wenn ich verhandele, stelle ich solche Erwartungen.

Diese Auffassung mag radikal und arrogant sein. Aber ich gehe noch weiter: Ich behaupte, damit dem größten Vorbild anzuhängen.

Jesus von Nazareth beweist immer wieder seine Radikalität und Arroganz. Er entzieht sich dem Unrechtssystem nicht: Er zahlt Steuern an die Besatzer. Wer ihn schlägt, dem hält er auch die andere Wange hin. Aber er verhandelt auch nicht: Die Tische der Pharisäer wirft er um. Gegenüber Pontius Pilatus schweigt er. Schweigt solange, bis dieser im Unrechtssystem Gefangene keine Wahl hat, als ihn zum Tode zu verurteilen.

Was ich mir wünsche? In den richtigen Momenten radikal und arrogant zu sein.