Der sichtbare Migrationsdiskurs in der westlichen Welt geht so: Westliche Welt/Abendland/Europa wird zersetzt durch Enklaven sich abschottender Migranten, die sich nicht integrieren wollen und schneller wachsen als die umgebende Mehrheitsbevölkerung. Wohlmeinende: Westliche Welt/Abendland/Europa muss mehr tun, um Migranten zu integrieren. Nicht-so-wohlmeinende: Westliche Welt/Abendland/Europa muss Migrantenwachstum eindämmen und von vorhandenen Migranten “mehr Integration” erwarten und einfordern. Dann großer Streit darum, werwowiewas Ursache für “mangelnde Integration”.
Sehr wichtig deshalb solche Beiträge wie der von Ege Tufan, der derzeit in Oxofrd in politischer Philosophie promoviert. Er hebt hervor, dass “Migranten, die entschlossen nach Status und Besitz streben, die dazu gehören oder sich selbst verwirklichen wollen,” nicht die Ausnahme, sondern die Regel darstellen, sowie dass “die Bereitschaft zur Leistung und der Wille zum gesellschaftlichen Aufstieg [bei Migranten] sogar deutlich stärker ausgeprägt sind als in der deutschen Bevölkerung”.
Wenn auch nicht intendiert, so legt der Beitrag den Finger in die wahre Wunde: Die (nur) teilweise und überproportionale Übernahme westlicher Werte durch Migranten. Sowohl die Wohlmeinenden als auch die Nicht-so-wohlmeinenden vergessen nämlich in ihrer Diskursschleife das Folgende: Westliche Werte sind nicht alle gut. Und im Übermaß sind einige von ihnen sogar mehr als äußerst schädlich.
Und oben stehen sie alle: Status- und Besitzstreben, Dazugehören-wollen, Selbstverwirklichung und Leistungsbereitschaft. In Maßen genossen und begleitet von Toleranz, Nächstenliebe, Chancengleichheit, Umverteilung, bürgerschaftlichem und politischem Engagement, sozial-ökologischer Marktwirtschaft und sozial handelnden Unternehmern sicherlich alles wunderbar.
Im Übermaß und als alleinige Werte aber sind sie hochexplosiv.
Doch gerade das befördert der Integrationsdiskurs sowohl der Wohlmeinenden als auch der Nicht-so-wohlmeinenden. Wieso?
Das Problem liegt im Integrationsverständnis selbst. Migranten sollen ihre eigenen Werte zurücklassen (wo eigentlich?) und diejenigen der Mehrheitsbevölkerung übernehmen.
Das kann nur schief gehen.
Dabei wird übersehen, dass “Werte” einer sozialen Gruppe nicht einfach voneinander isoliert, weggelegt und angenommen werden können. Sie bilden immer ein historisch gewachsenes, aus generationenfacher Erfahrung gewonnenes, sorgsam austariertes und von sozio-ökonomischen und geo-politischen Faktoren beeinflusstes Wertgefüge.
Wo wäre das westliche Leistungsstreben ohne die Einhegung einer sozialen Marktwirtschaft? Wo die postmoderne Selbstverwirklichung ohne den politisierten Bürger?
Und jetzt setzt die fatale Entwicklung ein: Die sich selbst entfremdete Mehrheitsbevölkerung ist dabei, diesen Zusammenhang zwischen ihren eigenen Werten, die Harmonie ihres eigenen Wertgefüges zu vergessen. Von hier an erklärt sich das Weitere von selbst: Einige Werte werden herausgelöst und über andere gestellt. Ihnen sollen die Migranten nacheifern, nachdem sie alle ihre “störenden” Werte “ablegen”.
Die Konsequenzen werden ausgeblendet oder gar nicht erst verstanden: Das gesamte Wertgefüge aller Beteiligter gerät ins Wanken. Migranten unterdrücken auch diejenigen Werte, die sich harmonisch mit einigen der Mehrheitsbevölkerung hätten vereinigen können: Familiensinn mit Solidarität, Großzügigkeit mit Nächstenliebe, Vielfalt mit Toleranz.
Aber nein, diese Chance wird nicht nur verpasst, sie wird noch nicht einmal wahrgenommen. Stattdessen “erzieht sich” eine bestimmte Gruppierung der Mehrheitsbevölkerung Migranten (vor allem der zweiten und dritten Generation), die einige westliche Werte über-verinnerlicht haben und dadurch vollständig integriert und 100%ig konform zur dekadenten Selbstzerstörung des Abendlandes beitragen.