“In einer Welt, die verzweifelt nach Kompetenz schreit, kann ein außergewöhnlich kompetenter und liebender Mensch seine Kompetenz ebenso wenig für sich behalten, wie er einem hungernden Säugling Nahrung verweigern könnte.
Spirtiuell entwickelte Menschen sind wegen ihrer Disziplin, ihrer Meisterschaft und Liebe Menschen von außerordentlicher Kompetenz; in ihrer Kompetenz sind sie berufen, der Welt zu dienen, und in ihrer Liebe antworten sie auf diesen Ruf.
Sie sind daher stets Menschen von großer Macht, wenn die Welt sie auch allgemein für ganz gewöhnliche Menschen halten mag, da sie ihre Macht meist im Stillen oder sogar im Verborgenen ausüben. Dennoch üben sie Macht aus, und bei dieser Ausübung leiden sie sehr, ja sogar schrecklich.
Denn Macht ausüben heißt Entscheidungen treffen, und der Vorgang, mit völligem Bewusstsein Entscheidungen zu treffen, ist oft unendlich viel schmerzhafter, als Entscheidungen mit beschränktem oder irrigem Bewusstsein zu treffen …
Entscheidungen, die das Leben anderer beeinflussen, müssen immer getroffen werden. Die besten Entscheidungen treffen jene, die bereit sind, bei ihren Entscheidungen am meisten zu leiden, die aber dennoch die Fähigkeit zur Entscheidung behalten.
Ein Maß – und vielleicht das beste Maß – für die Größe eines Menschen ist seine Fähigkeit zu leiden.
Die großen Menschen jedoch sind auch voller Freude. Das ist das Paradoxon. Die Buddhisten neigen dazu, die Leiden Buddhas zu vergessen, und die Christen neigen dazu, die Freude Christi zu vergessen. Buddha und Christus waren voneinander nicht so verschieden. Das Leiden Christi am Kreuz und die Freude Buddhas unter dem Baum sind eins.”
Aus: M. Scott Peck, “Der wunderbare Weg”, Wilhelm Goldmann Verlag.