Wie lässt sich die Armut in der Welt abbauen?

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Die Argumentationskette des Artikels ist denkbar simpel:

Arme Länder sind arm, weil stabile Institutionen fehlen.

Reiche Länder sind reich, weil sie stabile Institutionen haben.

Menschen in armen Ländern profitieren hiervon, weil ihre Marktvorteile gerade in der Armut bestehen, namentlich darin, dass sie ihre Arbeitskraft billig verkaufen.

Würden die reichen Länder diese Menschen aus armen Ländern aufnehmen, würden die Institutionen der reichen Länder destabilisiert. Diese Länder würden ebenfalls arm.

Menschen in armen Ländern hätten dann noch nicht einmal mehr den Vorteil, dass sie aus armen Ländern kommen.

Deshalb handeln die reichen Länder altruistisch und humanistisch, wenn sie diese Menschen aussperren.

Die Überschrift des Artikels lautet: Wie lässt sich die Armut in der Welt abbauen? Jedem Kind dürfte klar sein, dass der Artikel diese Frage noch nicht einmal zu beantworten versucht. Vielmehr ist seine Kernaussage lediglich, dass sich die Armut in der Welt nicht durch stärkere Zulassung von Arbeitsmigration aus den armen in die reichen Länder abbauen lasse.

Jedes Kind würde ebenfalls einsehen, dass die Überschriftsfrage sich beantworten ließe, wenn darauf eingegangen würde, wie sich stabile Institutionen, wie sie den Reichtum der reichen Länder bedingen, auch in den armen Ländern herstellen ließen.

Diese Frage erscheint dem Autor offenkundig zu schwierig, lässt er sie doch auch aus bei dem Kern seiner Argumentation, dass nämlich durch unkontrollierte oder übermäßige Arbeitsmigration in die reichen Länder diese destabilisiert würden. Mit diesem Argument mag der Autor sogar recht haben. Doch schließt sich daran, wiederum für jedes Kind ersichtlich, die Frage an, warum die wunderbaren Institutionen der reichen Länder nicht fähig sind zu einer fruchtbaren Integration der Arbeitsmigranten.

Jedem Kind muss wiederum offenkundig sein, dass diese Institutionen nur deshalb so erfolgreich sind, weil sie ein Pendant zu den schlechten Institutionen der armen Länder bilden. Der Beweis: Würde man die armen Länder mitsamt ihren schlechten Institutionen und den armen Menschen mit dem Kostenvorteil der billigen Arbeitskraft wegdenken, würden die Institutionen der reichen Länder nämlich ebenfalls destabilisiert. Der Lebensstandard in den reichen Ländern könnte ohne die armen Länder niemals aufrecht erhalten werden; soziale Kämpfe bis hin zu Bürgerkrieg wären die Folge.

Richtig ist deshalb, dass die reichen Länder auf das Bestehen der schlechten Institutionen in den armen Ländern angewiesen sind, weil ihre Institutionen zwar besser als die der armen Länder, aber immer noch schlecht sind. Sie sind nämlich nicht in der Lage, sozialen Frieden zu schaffen, ohne andere Länder samt der darin lebenden Menschen auszubeuten.

Wenn der hinter wortgewandter Pseudowissenschaftlichkeit versteckte Zynismus des Artikels nicht so überaus traurig wäre, müsste jedes Kind über diese Argumentation lachen. So aber bleibt das Lachen im Halse stecken und eine starke Motivation, sich für die Verbesserung der Institutionen in den armen Ländern, den reichen Ländern und auf globaler Ebene einzusetzen.